Texte
- Andreja Tokic im Interview mit Aranka Fortwängler
- Der Weg zur ganzheitlichen Koordination von Körper und Geist
- Interview mit Aranka Fortwängler - FIZIO Magazine, 12/2000
Der Weg zur ganzheitlichen Koordination von Körper und Geist
Für meine Abschlußarbeit wählte ich den Titel "Der Weg zur ganzheitlichen Koordination von Körper und Geist". Was mich daran fasziniert, ist, dass dieser Weg einem ständigen Wandel unterliegt. Es ist etwas Dynamisches darin, etwas was fließt, und wir sollten bestrebt sein, es immerzu fließen zu lassen! Es ist die Lebendigkeit in uns!
Manchmal stören wir diesen Fluß der Koordination in uns mit unserem Wollen, Tun, Gedanken, Vorurteilen, Ideen, Konzepten.
Und manchmal ist diese Koordination von Anfang an durch äußere Einflüsse gestört: Als Physiotherapeutin begegnen mir in meiner Arbeit Kinder, deren körperliche und/oder geistige Koordination von Geburt an durch Krankheiten oder Geburtstraumas behindert wurde.
Diese Fragen beschäftigten mich in meiner Arbeit immer wieder: Ist es möglich, die Koordination von Körper und Geist bei Kindern zu verändern, die mit schweren Hirnschädigungen auf die Welt gekommen sind? Kann man den Gebrauch und die Koordination bei den schweren Fußschäden, bei der mangelhaften sensorischen Wahrnehmung, bei den Schädigungen der Wirbelsäule, Nervenschädigungen, einer von Geburt an gestörten primären Steuerung ändern?
Diese Fragen würde ich gerne versuchen zu beantworten durch die Beispiele der Kinder, mit denen ich gearbeitet habe und noch immer arbeite.
F.M. Alexander hat uns ein wunderbares Werkzeug hinterlassen, mit dem wir die Begrenzungen unseres Denkens und Bewegungen erkennen und überwinden können. Auch er hat mit kranken Kindern und schwer kranken Menschen gearbeitet.
Alexander-Technik ist in erster Linie eine pädagogische und empirische Methode, mit der wir lernen, die Gesamtkoordination zu verbessern und somit die Qualität aller Bewegungen und Aktivitäten im täglichen Leben positiv zu beeinflussen.
Als Physiotherapeutin benutze ich sie auch in verschiedensten medizinischen Fällen, und aus meiner praktischen Erfahrung kann ich sagen, dass sich mit der Alexander-Technik die Koordination der Kinder, mit denen ich arbeite, viel schneller, besser und qualitätvoller verändern und integrieren kann, als wenn ich irgendeine der mir bekannten physiotherapeutischen Methoden einsetze.
In der Physiotherapie wird oft nur auf ein Segment geachtet, dasjenige, das ein Problem hat. Wenn das Kind z.B. ein Problem mit dem Fuß hat, arbeitet man nur mit dem Fuß.
Es begeisterte mich, als ich entdeckt habe, dass die Alexander-Technik anders vorgeht, ganzheitlich und holistisch, und aus dem Grund habe ich mich entschlossen, diese Ausbildung zu machen.
In der Alexander-Technik betrachtet man stets die ganze Person, alle ihre psychischen, physischen und geistigen Komponenten. Dies ist so wichtig, wenn wir einem Kind helfen wollen - wir müssen es im Ganzen sehen und nehmen, mit allen seinen Möglichkeiten, Fähigkeiten und Wünschen. Wir müssen mit ihm auf die Reise gehen, eine gemeinsame Reise mit dem Ziel, eine bessere Ausrichtung von Körper und Geist zu erreichen.
Als verbindendes Gerüst dieser Arbeit habe ich die Hauptbegriffe/Prinzipien der Alexander-Technik genommen. Zu jedem Prinzip habe ich ein paar erklärende Worte geschrieben und dazu ein Bespiel angeführt, wo ich diese Prinzipien in meiner Arbeit mit den Kindern wahrgenommen/erkannt und/oder angewendet habe. Entstanden ist so ein Mosaik von kurzen „Episoden“, die zum Teil ein Verarbeiten meiner bisherigen Erfahrungen spiegelt und zum Teil wegweisend für meine Arbeit nach der Ausbildung sein soll.
Zuerst werde ich Beispiele guter Koordination zeigen bei zwei Brüder, die mit der Diagnose Pes eqinovarus geboren wurden. Dies ist die häufigste angeborene Anomalie der Füße und kommt öfter bei Jungen vor. Sie besteht aus 3 Komponenten: EQINUSA (eingeschränkte Dorsalflexion), VARUSA (die Fußsohle nach innen geneigt) und SUPINATION (Fußsohle nach oben verdreht).
Als Leitmotiv dieses Abschnittes möchte ich ein Zitat von F.M. Alexanders voranstellen: „Es ist der Wunsch, das bewußte Begehren, etwas zu tun oder zu denken, was schließlich zu einem adäquaten Ergebnis führt.“ (MSI Part 1, Chapter 6, S. 102-106, Ausgabe 1946)
Beispiel 1: gute Koordination, Ilija (1 Jahr alt) – Pes Eqinovarus vor der Operation
Mit Ilija habe ich angefangen zu arbeiten als er 2 Wochen alt war, hier ist er 1 Jahr alt. Das Wichtigste ist immer, ein Kind zu motivieren: Obzwar er kaum fähig ist, auf den Füßen zu stehen, will Ilija unbedingt Fußball spielen. Erinnern wir uns an Alexanders Aussage: Der Wunsch eine Handlung erfolgreich bis Ende auszuführen, ist die Voraussetzung für eine gute Koordination. Man muß das Kind begleiten in den von ihm gewünschten und gewählten Aktivitäten.
Beispiel 2: Der Körper im Gleichgewicht – Ilija (hier 2 Jahre alt) spielt Fußball
Schaut, wie leidenschaftlich er bereits im Alter von 2 Jahren das Ball feuert und wie schön und frei er seinen Körper dabei gebraucht! Er wartet schon lange auf eine Fußoperation und bis dahin kann er nur auf der lateralen (äußeren) Fußkante laufen.
Beispiel 3: Auch nach der Fußoperation hat Ilija (jetzt 4 Jahre alt) seine gute Koordination nicht verloren
Ilija hat nach der Fuß- und Knieoperation seine gute Koordination nicht verloren. Jetzt wo seine ganzen Fußsohlen den Boden berühren können, probiert er seine neuen Möglichkeiten aus. Ich frage ihn, was für ein Gefühl das ist, auf einem Fuß stehen zu können? „Gutes“ antwortet er, „jetzt kann ich wie ein Flugzeug fliegen, genauso wie der Superman auf meinen T-Shirt es tut!!“
Beispiel 4: Gute Koordination, Gabrijel (Bruder von Ilija), Pes eqinovarus - vor der 2. Fußoperation
Gabriel ist der ältere Bruder von Ilija. Seine Füße wurden operiert als er 8 Monate alt war. Er ist ein lebhafter Junge, trotz noch immer vorhandenen Problems mit seinen Füßen (zu hohes Fußgewölbe und viel zu kleine Füße für sein Alter). Diese Fotos wurden vor seiner zweiten Operation gemacht. Sieht, welche Koordination Gabrijel dank seiner Neugier und der ständigen Weiterentwicklung seiner Fähigkeiten entwickelt hat! Sein „Weg der guten Koordination“ führt ihn, die Tür auf und ab zu klettern! Ich denke, dass es für ihn von äußerster Wichtigkeit ist, dass ich als seine Physiotherapeutin diesen Wunsch, auf der Tür zu klettern, nicht blockiere, sondern Vertrauen in ihn habe und ihn dabei unterstützend begleite. Allerdings muß ich zugeben, dass das nicht immer einfach war – insbesondere als er noch klein war, drängte ihn seine unbändige Energie oft an den Rand der Gefahren.
Aber er durfte stets seine eigene Art wählen, wie er seine Fähigkeiten entwickeln wollte und das bestärkte auch die Entwicklung seiner guten Koordination. Heute, als Lehrerin der Alexander-Technik, werde ich ihm weiterhin zur Seite stehen, um seine Gesamtkoordination zu erhalten und zu verbessern. Er ist jetzt in der fünften Klasse, spielt Gitarre und Handball und ist nicht mehr so hyperaktiv. Er wird erwachsener!
VERLUST DER GUTEN KOORDINATION IM LAUFE DES LEBENS
Die meisten Menschen verlieren während ihres Lebens nach und nach ihre ursprünglich gute Koordination. Aber muß das so sein? Unsere Koordination hängt schließlich davon ab, wie wach wir mit unserem Geist und mit unserem Körper umgehen. So könnte es durchaus möglich sein, dass die älteren Menschen eine bessere Koordination als junge Leute haben; sie könnten in voller Lebendigkeit und Wachheit bleiben und sich immer weiterentwickeln. Schlußendlich war auch Alexander, als er mit 86 Jahren starb, auf dem Höhepunkt seiner Fähigkeiten im lebendigen und klaren Anwenden und Vermitteln seiner Arbeit.
Die Kindern, die Entwicklungsschwierigkeiten haben, sei es pränatale Schäden (von der Empfängnis bis zur Geburt), natale (während der Geburt), oder postnatale (nach der Geburt) haben von Anfang an Probleme mit ihrem Gebrauch und damit auch eine lebenslange Aufgabe, eine gute Koordination immer wieder herstellen und/oder behalten zu lernen.
PRIMÄRE STEUERUNG DES ORGANISMUS
Wenn der Kopf im Bezug zum Körper frei balancieren kann, sind alle Bewegungen besser koordiniert. Wenn der Kopf steif oder zu schlaf ist, spiegelt sich das in der Ausrichtung der Wirbelsäule und des ganzen Körpers wieder und der Mensch verliert seine gute Koordination. Dynamisches Gleichgewicht des Kopfes im Verhältnis zum Körper ist der Schlüssel zur Freiheit und Leichtigkeit der Bewegung.
Beispiel 5: Primärkontrolle bei einem Kind mit schwerer Hirnschädigung (Mihael 3 Jahre)
Mihael ist ein Kind mit schweren psychomotorischen Schäden. Ich arbeite mit ihm seit seinem zweiten Lebensjahr. Auch heute noch – er ist jetzt 10 Jahre alt - kann er nicht alleine stehen, nicht sprechen und zeigt keine Motivation zu spielen. Es ist schwierig zu beurteilen, welchen Grad an Bewußtsein er hat. Auf die vertrauten Stimmen ihm naher Menschen reagiert er mit Lachen.
Sein Hals und sein ganzer Körper haben zu niedrigen Tonus, sind sehr hypoton.
Auf dem ersten Foto kann man sehen, dass er den Kopf nicht alleine aufrichten kann. Beachtet bitte auch seinen Gesichtsausdruck.
Auf dem zweiten Foto helfe ich ihm, die primäre Kontrolle zu etablieren. Der Ausdruck seines Gesichts verändert sich. Nicht nur der Körper integriert sich, es integriert sich der ganze Michael als Person. Er entdeckt sich selbst, erlebt sich anders, horcht.
Auf dem dritten Bild übernimmt er selbst seine primäre Steuerung. Könnt Ihr den zarten Ausdruck der Zufriedenheit auf seinem Gesicht erkennen? Leider kann er die gut koordinierte Primärsteuerung im Sitzen alleine nur kurz behalten, aber immerhin, er schafft es! Michael ist heute 10 Jahre und dank der kontinuierlichen Arbeit fähig, die Primärsteuerung zumindest für kurze Zeit zu etablieren.
Beispiel 6: Ungestörte Primärkontrolle bei einem gesunden Kind und beim Kind, das häufigen Epilepsie-Attacken ausgesetzt ist (Luka, 2 Jahre alt)
Luka ist auch ein hypotones Kind mit häufigen täglichen Epilepsieanfällen. Ich arbeite mit ihm seit er 6 Monate alt war. Mit einem Jahr konnte er sich zum ersten Mal umdrehen, motiviert von einem Spielzeug. Mit zwei Jahren kann er selbständig sitzen und angesichts der Probleme, mit denen er in seinem Leben konfrontiert ist, wage ich zu behaupten, dass seine Primärsteuerung - im Vergleich zu dem gesunden Kind auf dem Bild links - sehr gut ist!
Beispiel 7: Arbeit an der Primärsteuerung im Wasser (Mihael)
Es gibt verschiedene Ansätze, die auf das Funktionieren der Primärkontrolle Einfluß nehmen, die meisten davon arbeiten indirekt, ohne bewußte Steuerung des Menschen anzusprechen. Die Halliwick-Schwimmethode beruht auf der Auftriebskraft des Wassers. Darin können sich Menschen mit Behinderung entgegen der Schwerkraft bewegen.
Mihael liegt auf dem Rücken und ist vom Meer getragen und unterstützt. Ein Schwimmring unter seinem Hals gibt Stabilität und Unterstützung dem Kopf-Hals Bereich. Während durch diese günstigen Umstände dem Kopf verholfen wird frei zu balancieren, kann ich mit den anderen Teilen des Körpers umgehen und sie zu einer besseren Koordination und Integration einladen. Um Mihael „zu provozieren“ (da er die primäre Kontrolle nicht alleine erstellen kann), tauche ich gemeinsam mit ihm unter und nutze die Auftriebskraft des Wassers, um seinen Kopf nach vorne und nach oben auszurichten. Mit meinen Berührungen und mit meinem Körper gebe ich ihm Informationen und „hüte“ gleichzeitig seinen Kopf, damit er nicht nach hinten abkippt. Durch das Tauchen arbeiten wir indirekt auch an der Regulation der Atmung. Später auf dem Strand, im Sitzen, kann er dann die neugewonnenen Erfahrungen integrieren. An seinem Gesichtsausdruck könnt Ihr erkennen, dass er müde ist und, dass er genug von den neuen Informationen hat.
UNSERE GEDANKEN UND KONZEPTE BESTIMMEN DIE ART UND WEISE UNSERES HANDELNS
Beispiel 8: Penelopa, zerebrale Lähmung - kann nicht alleine stehen und gehen
Penelopa ist ein intelligentes Mädchen, aber mit schweren Gehirnschäden. Ihre Beine, Arme und Körper haben hohen Tonus und es ist sehr schwierig für sie, diese zu bewegen. Sie kann nicht alleine laufen. Ihr Traum ist es, eine Ballerina zu werden. Penelopas Vater kaufte ihr ein Ballettkleidchen, das sie trug, als sie zu mir zur Stunde kam. Es waren noch ein paar andere Menschen zugegen und so improvisierten wir spontan eine kleine Balletvorführung. Ich holte meine Kamera und sie begann "ihr Ballett" zu tanzen. Wir alle, die wir da waren und sie kannten, waren fast erschüttert angesichts der Leichtigkeit, mit der sie ihre Hände bewegte, den Rumpf drehte, sich nach oben ausrichtete und ihren Ballettraum genoß!
Ihre Gedanken und ihre Konzepte definierten die Qualität ihres Handelns trotz der echten Unfähigkeit ihres Körpers!
- IN JEDER BEWEGUNG GIBT ES ZWEI AKTIVITÄTEN: EINE, DIE UNS ORGANISIERT UND EINE, DIE UNS IM RAUM BEWEGT
Beispiel 9: Lovro, Spina bifida - fühlt seine Beine kaum, Füße fühlt er gar nicht. Trotzdem lernte er zu laufen (trägt Unterschenkel Orthosen)
Das Rückenmark liegt im Wirbelkanal der Wirbelsäule und ist genau wie das Gehirn ein Teil des Zentralnervensystems. Und ebenso wie das Gehirn wird es vom Liquor umspült und von Hirnhäuten geschützt. Das Rückenmark stellt sozusagen die Verbindung zwischen dem Gehirn und dem peripheren Nervensystem dar. Es ist auch verantwortlich für die Reflexe, was bedeutet, dass in den Reflexhandlungen das Gehirn nicht beteiligt ist.
Lovro wurde geboren mit eine Schädigung, die man Spina Bifida nennt. Diese Schädigung entsteht in dem lumbalen Teil des Rückenmarks. Es entsteht eine Art von Zyste die Nerven und Rückenmarkflüßigkeit enthält. Als Ergebnis entstehen Lähmungen und Gefühlsverlust unterhalb der betroffenen Region. Der Grad der Schädigung hängt davon ab, wie viele Nerven betroffen sind.
Da Lovro seine Beine kaum und seine Füße überhaupt nicht spüren kann, ist im Prinzip unmöglich für ihn zu laufen. Sein Gehirn kann zwar die Schritte planen (präfrontaler Cortex) aber sein Nervensystem kann diese Impulse nicht bis zu den Füßen leiten. Lovro ist ein lebendiger, intelligenter und realitätsbezogener Junge. Durch ausdauerndes Üben hat er gelernt zu vertrauen, dass der Boden ihn trägt, auch wenn er diesen nicht fühlen kann. Er läuft sozusagen „blind“, in dem er die Handlung klar und genau plant und dann vertraut, dass sein Körper, der Boden und die stabilisierenden Orthosen diesen Plan umsetzen werden. Er kann nicht sehr lange gehen, kann sich aber im Haus bewegen und kurze Strecken selbständig bewältigen.
- DAS DYNAMISCHE GLEICHGEWICHT DES KOPFES IM VERHÄLTNIS ZUM RUMPF IST DER SCHLÜSSEL ZU LEICHTIGKEIT UND FREIHEIT IN DER BEWEGUNG
Beispiel 10: Marija und Penelopa (Ballerina) haben Probleme mit der sensorischen Integration.
Marija und Penelopa haben beide Probleme mit der sensorischen Wahrnehmung. Sie spüren ihren Körper nicht gut und das erschwert sowohl ihre Kommunikation als auch ihre Sozialisation. Auch für sie ist das dynamische Gleichgewicht des Kopfes auf dem Rumpf von ausschlaggebender Wichtigkeit. Aber es ist nicht immer einfach in diesem Bereich zu arbeiten. Die kleinen Kinder mögen meistens nicht, wenn man den Kopf und den Hals berührt. Meistens nütze ich Momente, in denen sie sich mit etwas anderem beschäftigen (z.B. lesen, spielen), um sie berühren und Impulse im Sinne der Primärsteuerung zu geben.
DIREKTIVEN FÜR DIE PRIMÄRESTEUERUNG
Lass‘ den Hals frei, damit sich der Kopf nach vorne und oben lösen kann, damit sich der Rücken längen und weiten kann.
Beispiel 11: Niko, ein Junge mit der Diagnose Torticollis.
Nikos Diagnose ist Torticollis, der schiefe Hals. Als er zu mir kam, war er ungefähr 2,5 Jahre alt. Es dauerte über zwei Jahre, bis er mir erlaubt hat, den Halsbereich anzufassen. Allerdings auf indirektem Wege, über das Spiel. Vor mir war er bei einer anderen Therapeutin, die anders gearbeitet hat und war von dieser Erfahrung traumatisiert.
Nikos Kopf hängt nach unten und fällt nach links, weil auf einer Seite der Sternocleidomasteoideus stark verkürzt ist. Auf den Fotos könnt Ihr sehen, wie wir durch das Spiel vor dem Spiegel einen indirekten Einfluß auf die Primärkontrolle bekommen können. Den Kopf nach vorne und nach oben gehenlassen, damit sich der Rücken längen und weiten kann.
Während er in der Begeisterung des Spiels lachend auf der Plattform springt, gelingt es mir für ein Moment, direkt auf die Balance von Kopf und Hals einzuwirken, ohne ihn dabei zu verstören.
DEFINITION DER INHIBITION
Inhibition ist die Fähigkeit, die Reaktion auf einen Reiz zu unterbinden. Die Fähigkeit, nein zu sagen, auch wenn alle unseren mentalen, physischen oder emotionalen Gewohnheiten uns dazu drängen, zu reagieren.
Beispiel 12: Žarko, ein Junge mit Hirnschäden, der nicht alleine gehen kann
Žarko, ein Junge mit Gehirnverletzungen, kann nicht selbständig laufen. Auf dem Foto trägt er Orthosen, ein Hilfsmittel zum Laufen. Die rechte Körperseite ist insgesamt stark verkürzt, so dass er ohne Orthosen den Boden nur mit den Zehenspitzen des rechten Fußes berühren kann. Seine alte Gewohnheit ist, die Bewegung mit einem starken Vorschieben des Brustkorbes nach vorne anzufangen. Jetzt, wo er die Orthosen trägt, würde er dieses Vorschieben des Brustkorbes nicht mehr brauchen, aber die alte Gewohnheit ist noch zu stark. Während er läuft, gebe ich ihm Impulse, um Bewegungen des Brustkorbes zu inhibieren, so dass er eine neue Idee vom Laufen bekommt. Teilweise gelingt das schon, sein Brustkorb reagiert nicht mehr so heftig.
Žarko, ein Junge mit Gehirnverletzungen, kann nicht selbständig laufen. Auf dem Foto trägt er Orthosen, ein Hilfsmittel zum Laufen. Die rechte Körperseite ist insgesamt stark verkürzt, so dass er ohne Orthosen den Boden nur mit den Zehenspitzen des rechten Fußes berühren kann. Seine alte Gewohnheit ist, die Bewegung mit einem starken Vorschieben des Brustkorbes nach vorne anzufangen. Jetzt, wo er die Orthosen trägt, würde er dieses Vorschieben des Brustkorbes nicht mehr brauchen, aber die alte Gewohnheit ist noch zu stark. Während er läuft, gebe ich ihm Impulse, um Bewegungen des Brustkorbes zu inhibieren, so dass er eine neue Idee vom Laufen bekommt. Teilweise gelingt das schon, sein Brustkorb reagiert nicht mehr so heftig.
WOMIT BEFASST SICH DIE ALEXANDER –TECHNIK?
- Sie verhindert unerwünschte Gewohnheiten
- Sie bietet eine optimale Basis zum Erlernen jedweder neuen Aktivität/Bewegung
- Sie schult Flexibilität im Denken und Bewegen
Beispiel 13: Petra, das Mädchen mit Hemiparese (einseitigen Körperlähmung) gemeinsam mit Penelopa
Penelopa ist jetzt größer und es ist schwieriger, eine gute Koordination in der sitzenden Position aufrechtzuerhalten. Um unerwünschte Gewohnheiten zu vermeiden und ihr die optimale physiologische Basis für das Erlernen neuer Aktivitäten zu bieten, haben wir uns entschieden, sie mit Petra spielen zu lassen und dabei auf dem Bauch zu liegen. Diese Position wird den Tonus im Rücken stärken und die primäre Kontrolle von Kopf und Hals unterstützen, was sich später in einer besseren Koordination in der sitzenden Position widerspiegelt.
Es erweitert auch die Möglichkeit des Denkens und Bewegens nicht nur für Penelopa, sondern auch für ihre Freundin Petra.
Dieses „setting“ sowie die Arbeit mit der Alexander-Technik helfen ihnen:
Penelopa ist jetzt größer und es ist schwieriger, eine gute Koordination in der sitzenden Position aufrechtzuerhalten. Um unerwünschte Gewohnheiten zu vermeiden und ihr die optimale physiologische Basis für das Erlernen neuer Aktivitäten zu bieten, haben wir uns entschieden, sie mit Petra spielen zu lassen und dabei auf dem Bauch zu liegen. Diese Position wird den Tonus im Rücken stärken und die primäre Kontrolle von Kopf und Hals unterstützen, was sich später in einer besseren Koordination in der sitzenden Position widerspiegelt.
Es erweitert auch die Möglichkeit des Denkens und Bewegens nicht nur für Penelopa, sondern auch für ihre Freundin Petra.
Dieses „setting“ sowie die Arbeit mit der Alexander-Technik helfen ihnen:
- Fokus und Effektivität in der Aktion zu erhöhen
- Ihre Bewegungskoordination zu optimieren
- Bessere Harmonie zwischen Körper und Geist herzustellen
Beispiel 14: Rafaela und Jakov haben Hirnschädigungen
Rafaela und Jakov lernen mit der Gehhilfe selbständig zu laufen. Je besser im Laufe der Zeit ihre Koordination wurde, desto mehr hat sich auch ihre Fähigkeit den Fokus zu behalten erhöht, bis sie jetzt soweit sind, einen längeren Spaziergang zu wagen.
Jakovs Koordination ist schon etwas besser, von daher bewegt er sich leichter und schneller. Auch hat er schon eine längere Erfahrung mit der Gehhilfe hinter sich. Für Rafaela sind das die ersten unabhängigen Schritte, und da sie im Jakov ein gutes Beispiel vor sich hat, gelingt auch ihr, sich auf die neuen und unbekannten Schritte einzulassen und sich auf Jakov hinzubewegen.
Das Gefühl der Unabhängigkeit erfüllt die beiden mit Freude und stellt mehr Harmonie zwischen Körper und Geist her.
DIE MÖGLICHKEIT DER WAHL
Nicht fixiert zu sein auf ein Ziel, bedeutet 100% die Wahlmöglichkeit in Bezug auf dieses Ziel zu haben. Dies wiederum ist die Voraussetzung für eine gute Koordination.
Beispiel 15: Am Ende des Schuljahres erhält Penelopa eine Medaille und ich einen Blumenstrauß
Wäre Penelopa nur auf das Ziel fixiert gewesen, am Ende des Jahres eine Medaille oder ich einen Blumenstrauß des Dankes zu bekommen, hätten wir die Übungen wahrscheinlich nicht genossen. Vielleicht hätte Penelopa niemals ihr Ballett getanzt. So war jede unsere Stunde offen für neue Möglichkeiten. Diese Offenheit brachte uns am Ende des Jahres zur Verteilung der Medaillen. Und dies haben wir dann alle gemeinsam gefeiert und genossen!
FAZIT:
Am Ende meiner Arbeit stelle ich fest – und wahrscheinlich auch Ihr gemeinsam mit mir – dass es wohl möglich ist, die Koordination vom Körper und Geist bei Kindern zu ändern, die einen neurologischen Schaden haben. Wenn wir in ihnen Lebendigkeit, Fluidität und Offenheit für neue Möglichkeiten erwecken - unter der Voraussetzung, dass wir sie dort abholen, wo sie im Moment sind, und die Richtung kennen, in die wir mit ihnen gemeinsam gehen möchten, ist es möglich, ihren Gebrauch und ihre Koordination zu verbessern, egal wie groß die Schädigungen sind, die sie haben.
Als Physiotherapeutin, Arbeitstherapeutin und Hipotherapeutin weiß ich wohl, dass es verschiedene Methoden gibt, mit denen man die Koordination beeinflussen kann. Aber heute, als Lehrerin der Alexander-Technik bin ich mir der Einzigartigkeit der Arbeit von F.M. Alexander bewußt und dankbar, dass ich ihr begegnet bin. Alexander-Technik gibt mir die Basis und die Quintessenz dessen, was ich für mich und für meine Arbeit schon immer gesucht und gewünscht habe.
Ebenso dankbar bin ich allen Lehrern, die F.M. folgten - und insbesondere deren, die mich durch die Ausbildung begleitet haben: Aranka Fortwängler, Hedda Mickausch, Ellen Mroß, Giora Pinkas und Martina Kunstwald, sowie allen anderen Lehrern und Studenten, die mit mir gearbeitet haben und mir geholfen haben auf meinem Weg zu einer besseren Koordination. Ich komme heute aus dieser Schule heraus mit mehr Harmonie im Körper und Geist. Und ich glaube, dass ich diese Harmonie weiter entwickeln und sie an die Kinder und an alle andere Menschen, mit denen ich arbeite, weitergeben kann.